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UK-Theater: Ein tief berührendes Bühnenerlebnis

04.06.2019

RAVENSBURG - Das UK-Theater der Geschwister-Scholl Schule KBZO ist mit seinem neuen Stück angetreten. Im ausgebuchten Theater Ravensburg hat es sich J. D. Salingers „Der Fänger im Roggen“ vorgenommen und daraus „Die Roller im Roggen“ gemacht. Acht junge Schauspieler mit Behinderung unter der Leitung von Thorsten Mühl und der Regie von Alex Niess konnten ihr Publikum zu Standing Ovations hinreißen.

Dass die Theatergruppe der Stiftung KBZO sich traut, kritische Themen auf die Bühne zu bringen, hat sie schon mit dem Stück „Rollin´Love“ von 2016 bewiesen. „Der Mut, etwas zu sagen, ist gewachsen“, schickte Thomas Sigg, Direktor des Sonderpädagogischen Bildungszentrums, voraus. So war die Gruppe mit „Rollin´Love“ über die Region hinaus nach Potsdam eingeladen, um beim „Schultheater der Länder“ das Land Baden-Württemberg zu vertreten. Danach habe sich beim Thema Inklusion viel verändert, so Niess.

Deftige Pointen dank ausgeklügelter Technik


Was gleich geblieben ist, ist die Technologielastigkeit der Aufführung. Die Jungs hatten die Ideen, Niess hat sie aufgeschrieben. Mittels Stimmen-Casting, erzählt Thorsten Mühl, hätten die Akteure zu ihren Rollen gefunden. Der technische Aufwand, zu dem auch zahlreiche Video- und Musikeinspielungen gehören, ist enorm.

Bis auf Felix Pascher und Flo Oettle, die laufen können, sitzen alle Darsteller im Rollstuhl. Ausgestattet mit sogenannten Talkern verständigen sie sich über ein Sprachsystem, das per Hand oder Fuß ausgelöst wird. Die Zuschauer haben es mit jungen Erwachsenen zu tun, die etwas erleben wollen. Schulbankdrücken hat in diesem Stück sein Ende gefunden.

Stattdessen sehen sich Lena Kaib, Max Kemmler, Silvan Buck, Felix Pascher, Hannes Baumeister, Pascal Wörner, Flo Oettle und Lukas Engele mit dem harten Arbeitsleben konfrontiert. „Diese Ödnis halte ich nicht aus“ kontra „Ihr habt doch nur noch 45 Jahre Arbeit vor euch“ oder „Ich werde Tänzer bei einem Choreographen, der mit Behinderten arbeitet“, worauf eine zweite Stimme mit „Der hat es wohl mit den anderen nicht geschafft!“ reagiert.

Die Pointen sitzen und nehmen das Arbeitsleben aufs Korn. Mit angepeilten Karrieren als Bankräuber, „was nun mal kein Ausbildungsberuf ist“ oder als „Bestatter für rollende Klugscheißer“. Die UK-Theatergruppe vergibt sich nichts und schon hier hat sie die Zuschauer auf ihrer Seite. Ihre Mimiken und Gestiken im Dialog mit den Sprecherstimmen sind so überzeugend, dass die Zeit wie im Fluge vergeht. Man ist gebannt von der Lebendigkeit ihrer Inszenierung. Vom Witz und der Poesie, die das Team auf die Bühne bringt.

Rein in den VW-Bus und nichts wie weg

Schnell ist sich die Gang einig, dass sie weg wollen, um ihre Träume zu leben. Was sie dazu brauchen, ist ein alter Zivi-VW-Bus. Im Wechsel mit aberwitzigen Videoeinspielungen, die die Akteure nachts im Museum, bei wilden Autoverfolgungsjagden oder beim ballettösen Schwanensee zu musikalischen Rockklassikern zeigen.

Dabei schlüpfte Felix Pascher in die Rolle des Anführers, wenn sie mit dem Bus einen AfD-Stand „platt“ machen und der Hunger sie ohne Bargeld in der Tasche zu einer Tankstelle treibt. „Auf drei packt ihr alles an Defiziten aus, was geht!“, lautet die Parole und Tankwart Thorsten Mühl muss sich geschlagen geben. Einen tief berührenden Moment erlebten die Zuschauer in einer Tanzszene am Schluss. „Diese Theatergruppe weiß zu begeistern. Ihr habt toll gespielt, ihr habt was zu sagen!“, freute sich Vorstandsvorsitzender der KBZO-Stiftung, Ulrich Raichle, über die gelungene Inszenierung. (sz)

2.500 Euro: Bernhard Schons spendet erneut

Sichtlich beeindruckt war auch Bernhard Schons. Der Allianz-Generalvertreter in Weingarten und langjährige Unterstützer der Gruppe sah sich nach dem Stück „schwer geerdet“. Er beglückwünschte die Jungs für den einmal mehr gelungenen Auftritt und überreichte eine weitere großzügige Spende - dieses Mal in Höhe von 2.500 Euro. „Ich sehe bei Bernhard Schons immer das Glitzern in seinen Augen“, sagte Regisseur Alex Niess und bedankte sich bei „dem großen Freund unserer Gruppe“. (cr)

Text: Babette Caesar (Schwäbische Zeitung, Ausgabe Ravensburg/Weingarten, vom 3. Juni 2019) und Clemens Riedesser
Fotos: Clemens Riedesser

Groß war das Interesse an dem neuen Stück der UK-Theatergruppe im Theater Ravensburg. In der vorderen Reihe (3. u. 4. v. l.) KBZO-Vorstandsvorsitzender Dr. Ulrich Raichle und Allianz-Generalvertreter Bernhard Schons nebst Gattinnen.

Im VW-Bus in die weite Welt: Die UK-Theater-Gruppe mimt in Anlehnung an J.D. Salinger die „Roller im Roggen“.
„Auf drei packt ihr alles an Defiziten aus, was geht!“ Der Hunger treibt die Gang ohne Bargeld in der Tasche zu einer Tankstelle.
Lena Kaib, Felix Pascher, Max Kemmler, Pascal Wörner, Lukas Engele, Flo Oettle, Hannes Baumeister und Silvan Buck (von rechts) werden mit dem harten Arbeitsleben konfrontiert.

Was wird aus dem Liebesleben? Auch das ist hier die Frage.

Beifall für den Beifall: Die Akteure bedanken sich bei ihrem begeisterten Publikum.
 
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