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Unterstützte Kommunikation

21.07.2010

SIGMARINGEN – Tobias Link aus Kempen (NRW) kann aufgrund einer Körperbehinderung nicht sprechen. Deshalb kommuniziert er mit einem komplexen elektronischen Gerät, dem sogenannten Powertalker. Damit hat er an der Lassbergschule des Körperbehinderten-Zentrums Oberschwaben (KBZO) in Sigmaringen über seine Sprachentwicklung und seinen Weg zu einer erfolgreichen Kommunikation referiert. Wir haben uns nach dem spannenden Vortrag mit dem 26-Jährigen unterhalten.

Herr Link, wie können wir miteinander kommunizieren?

Tobias Link: Ganz normal.

Was heißt das?

Link: Ich schreibe auf meiner Powertalker-Tastatur, und Sie können das Geschriebene lesen oder auch hören. Da es sich um ein Sprachausgabegerät handelt, ist hören angebrachter.

Wie funktioniert das Prinzip des Powertalkers?

Link: Der Powertalker hat zwei Modi, zum einen die ganz normale alphanumerische Tastatur, zum anderen kann ich mittels Ikonen durch zwei oder drei Tastendrücken ganze Wörter und sogar Sätze bilden.

Früher war es deutlich schwieriger für Menschen mit Sprachbehinderung in Kontakt mit „Lautsprechenden“ zu treten!?

Link: Ja, das ist richtig. Ohne die moderne Technik braucht ein UKler (Unterstützt Kommunizierender, d. Red.) einen Gegenüber, der beide Parts der Kommunikation übernimmt. Zum einen muss er für sich selbst sprechen und zum anderen das gelesene Wort oder das gezeigte Symbol des UKlers wiedergeben und interpretieren. Das dauert sehr lange und ist für beide Gesprächsteilnehmer anstrengend.

Sie haben sich früh mit Symbolen beschäftigt und sich diese auch gemerkt. Ihre Mutter hat da offenbar eine entscheidende Rolle gespielt!?

Link: Ja, so ist es. Ich hatte Glück, so eine starke Mutter zu haben.

Ihre Mutter war offenbar verblüfft, wie schnell sie sich viele Symbole merken konnten. Wie schaffen Sie das, gibt's da einen Trick?

Link: Das betrifft die Bliss-Symbole. Diese sind logisch aufeinander aufgebaut. Meine Mutter hat mir die Symbole einzeln in ihrer Zusammensetzung erklärt, während sie sie mir zeigte. So hatte ich einen schnellen Zugang. Wenn Sie aber meine eigenen Symbole aus Gestik und Mimik meinen: Die habe ich mir selbst ausgedacht und habe sie nah an der Realität orientiert. Das heißt, ich habe mir angesehen, welche Bewegungen andere Menschen machen und diese imitiert, wie es im Grunde alle Kinder tun. Diese mussten dann nur von meiner Mutter und anderen nahen Personen erraten werden, um von da an weiter so eingesetzt werden zu können.

Sie haben die Bliss-Symbole angesprochen. Was versteht man genau darunter?

Link: Bliss ist eine Symbolsprache, ähnlich aufgebaut wie unsere Schriftsprache. Dadurch fiel mir später das Schreiben lernen leicht. Allerdings bemängeln Kritiker, dass es keine Beugungen der Verben gibt. Der Kommunikationspartner muss die Beugungen selbst herstellen und laut aussprechen, damit das unterstützt kommunizierende Kind die korrekte Grammatik lernt.

Sie sind seit März auf ein anderes System umgestiegen, welches denn?

Link: Ich bin auf Sonolexis, eine Kombination der beiden großen Lager, Gateway/Dynavox und Minspeak/PRD, umgestiegen, das die Vorteile beider Systeme verbindet. Allerdings werde ich ab August ein weiteres System testen, welches von den Sonolexis-Entwicklern stammt.

Wie würden Sie den derzeitigen Stand der Unterstützten Kommunikation beschreiben?

Link: Es tut sich sehr viel.

Sie haben das Fachabitur nachgemacht und wollen ab September Sozialpädagogik studieren. Wie finanzieren Sie das Studium? Sicher nicht allein durch Vorträge wie diesen am KBZO...

Link: Naja von nachgemacht kann keine Rede sein. Als ich 2004 meine Fachoberschulreife erworben hatte, wollte ich eine Ausbildung zum Mediengestalter machen. Da ich gern programmiere und – logischerweise, was bleibt mir sonst – gern mit dem Computer arbeite, habe ich bei einem früheren Zivi in dessen eigener Firma Praktika in diesem Bereich gemacht, was mir gut gefiel. Daraufhin unterzog ich mich einer Eignungsprüfung beim BBW Volmarstein, wurde aber als nicht prüfbar durch die IHK vom zuständigen Psychologen des BBW abgewiesen. Er meinte, ich sollte doch die Vorteile der Werkstatt für behinderte Menschen nutzen und meine Hobbys in der Freizeit ausleben. Fast zeitgleich – Gott sei Dank – hat meine Mutter von einem Tetraplegiker gehört, der an der Höheren Technik-Schule des Berufskollegs Krefeld-Uerdingen seine Fachhochschulreife erwerben wollte. Er war dort bereits seit einem Jahr. So kam ich über Umwege erst dorthin und dann zum Berufskolleg Kempen, wo ich nicht zuletzt dank des tollen Einsatzes der meisten meiner Lehrer, die noch nie mit einem behinderten Schüler gearbeitet hatten, zu meinem Fachabitur kam.

Jetzt geht ’s aber ans Studium, oder?

Link: Ja, und dazu brauche ich dringend Assistenz. Der Landschaftsverband Rheinland meinte auf Nachfrage, da er mir ja schon die Assistenz für meine Ausbildung zum Bürokaufmann, die ich im September mit der mündlichen Prüfung abschließe, die Assistenz gezahlt hat, wäre er nun für das weitere Studium nicht mehr zuständig. Von daher suche ich gerade nach Quellen, die dies möglich machen. Für mich selbst werde ich, wenn ich keine Nebenbeschäftigung bekomme, wohl BaFöG beantragen. Mir ist aber von Seiten eines Kommunikationsgeräte- und Softwareherstellers angeboten worden, mich nach der Prüfung zu melden. Sie wollten bis dahin sehen, ob sie mich irgendwie neben dem Studium in ihrer Firma einsetzen können. Das wäre natürlich super. Aber nichts ist fest. Für jede Info oder Hilfe, die zu Finanzierungen für meine Assistenz führt, bin ich sehr dankbar.

INFO: Die Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation (ISAAC) veranstaltet am Samstag, 23. Oktober, ihre Regionaltagung mit Workshops, Vorträgen und Ausstellungen in den Räumen des KBZO in Weingarten. Infos und Anmeldungen unter Telefon (0751) 4007-408, E-Mail: t.muehl@kbzo.de. Internet: www.kbzo.de

(Bildunterschrift):
„In der Unterstützten Kommunikation tut sich sehr viel“: Tobias Link nach seinem Vortrag an der Lassbergschule in Sigmaringen. Foto: wortschatz


 Stichwort:

Unterstützte Kommunikation (UK)

Unterstützte Kommunikation ist der Oberbegriff für alle pädagogischen oder therapeutischen Maßnahmen zur Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten von Menschen, die nicht oder kaum über Lautsprache verfügen. Beispiele sind die Einführung von Bildsymbolkarten oder einer Kommunikationstafel zur Verständigung, die Versorgung mit einem Sprachausgabegerät oder die Ergänzung der Lautsprache durch das Gebärden von Schlüsselwörtern. Für Menschen mit Kommunikationsbeeinträchtigungen und ihr Umfeld gewinnt die Unterstützte Kommunikation (UK) immer mehr an Bedeutung. Durch den Einsatz von UK wird die individuelle Art zu kommunizieren unterstützt und das gegenseitige Verstehen gefördert. Ergänzende Maßnahmen haben das Ziel, eine unabhängige und effektive Kommunikation im Alltag zu gewährleisten. ISAAC (Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation: International Society for Augmentative and Alternative Communication) ist ein internationales Netzwerk mit dem Ziel, die Situation von kommunikationsbeeinträchtigten Menschen zu verbessern.

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