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Besuch des Landes-Behindertenbeauftragten an der Stiftung KBZO: Gerd Weimer skizziert Aktionsplan zur Inklusion

23.06.2013

WEINGARTEN – Gerd Weimer hat ein anspruchsvolles Ziel: „Mein Ehrgeiz ist es, dass Baden-Württemberg zum Inklusionsland Nummer eins in Deutschland wird.“ Und als sich der Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen nach rund fünf Stunden Besichtigungs- und Diskussionsprogramm an der Stiftung KBZO auf den Weg zurück nach Stuttgart machte, sah er sich in seiner Zielsetzung bestärkt: „Dieser Besuch in Weingarten hat gezeigt, dass Offenheit da ist, dass es auch Probleme gibt, keine Frage, aber auch sehr viele und sehr gute Lösungen.“

Weimer hatte sich in Begleitung des Vorstandsvorsitzenden der Stiftung KBZO, Dr. Ulrich Raichle, und des kaufmännischen Vorstands Matthias Stöckle einen intensiven Überblick verschafft über die umfassenden und inklusiven Förder-, Bildungs-, Wohn- und Betreuungsangebote, die die Stiftung KBZO für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit und ohne Behinderung bereithält. „Sie haben die ganze Bandbreite an Einrichtungen – sozusagen von der Wiege bis zur Bahre“, resümierte der Landes-Behindertenbeauftragte.

Acht Handlungsfelder

Vor dem Hintergrund der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung und einer entsprechenden Koalitionsvereinbarung der grün-roten Landesregierung werde von ihm und seinen Mitarbeitern die Grundlage für einen so genannten Aktionsplan mit konkreten Zielen und Maßnahmen erarbeitet, sagte Weimer. Auf dieser Grundlage seien alle Ressorts verpflichtet, Farbe zu bekennen und entsprechende Prioritäten in allen politischen Handlungsfeldern zu setzen. Der Aktionsplan stelle sozusagen den Fahrplan - unter Berücksichtigung notwendiger Ressourcen – und die einzelnen Etappen für den Weg zum Inklusionsland Nummer eins dar. Dabei sei es wichtig, dass „die Menschen mit Behinderung selber, die Einrichtungsträger, alle, die etwas von dem Thema verstehen, sich in diesen Prozess einbringen – gewissermaßen von unten nach oben“. Weimer forderte, dass der aus der Sicht betroffener Menschen „basisdemokratisch“ legitimierte Grundstein für den Aktionsplan der Landesregierung, dessen Fertigstellung er für Ende des Jahres erwartet, „auch tatsächlich umgesetzt wird und nicht in der Schublade verschwindet“. In diesem Dabei werden acht Handlungsfelder präzisiert: Bildung, Erziehung, Arbeit, Wohnen, Gesundheit, Barrierefreiheit, Freizeit, Kultur und Sport sowie Persönlichkeitsrechte.

„Aus unserer Sicht muss es auch darum gehen, wie in inklusiven Settings mit dem Ziel größtmöglicher Teilhabe an allen gesellschaftlichen Angeboten, Einrichtungen und Institutionen die notwendige sonderpädagogische Förderung sowie behindertenspezifische Konzepte und Angebote erhalten bleiben können“, sagte Raichle.

Lieblingsthema: Schulische Inklusion

Sein Lieblingsthema, so Weimer, sei die schulische Inklusion. Gute Ansätze gebe es in diesem Zusammenhang insbesondere im Grundschulbereich, wobei aktuell bereits erste Gymnasien die Chance der Inklusion als Gewinn für zukunftsfähige Entwicklungen in der Pädagogik und im Sinne einer solidarischen Gesellschaft erkannt haben. Eine Schule für alle würde auch darüber hinaus funktionieren, „wenn man das politisch will und wenn die Rahmenbedingungen stimmen“. Der ehemalige Gymnasiallehrer machte vor diesem Hintergrund die Probleme schulischer Inklusion deutlich. Das von der Koalition vereinbarte Wunsch- und Wahlrecht bedeute, „dass wir zumindest mittelfristig zwei Systeme mit gleicher Qualität auf hohem Niveau finanzieren müssen“. Ein zweites Problem sieht Weimer in der Barrierefreiheit: „Ich schätze, dass etwa 80 Prozent aller Schulen in Baden-Württemberg überhaupt nicht barrierefrei sind, weder für Menschen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, geschweige denn für Menschen mit Sinnesbehinderungen (u.a. Leitsysteme, Raumakustik).“ Weimer forderte in diesem Zusammenhang auch die Kommunalpolitik auf, „ihren Beitrag zu einem Gelingen der Inklusion zu leisten“.

Als dritten Problempunkt nannte der Landes-Behindertenbeauftragte die Lehrerausbildung. Diese müsse so reguliert werden, dass Lehrerinnen und Lehrer es lernen, mit heterogenen Lerngruppen und individualisiertem Lernunterricht umzugehen, dass Leistungsstärkere und Leistungsschwächere in einer Lerngruppe sitzen.

„Insgesamt müssen wir unsere gesellschaftlichen Wahrnehmungen so verändern, dass es Menschen mit Behinderung immer leichter fällt, sich in gesellschaftliche Prozesse einzubringen. Es müssen alle Barrieren aus dem Weg geräumt werden“, forderte Weimer und verwies in diesem Zusammenhang auf die innovativen Wege, die die Stiftung KBZO beschreite. „Wer Inklusion will, sucht Lösungen; wer sie nicht will, sucht Argumente“, zitierte Weimer abschließend seinen Kollegen Hubert Hüppe, den Bundes-Behindertenbeauftragten.

> STICHWORT

Beauftragter der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen in Baden-Württemberg (Landes-Behindertenbeauftragter)

Auf Vorschlag von Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) wurde Gerd Weimer von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zum Beauftragten der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen bestellt (Landes-Behindertenbeauftragter). Zur Stärkung seiner Unabhängigkeit ist dieses Amt erstmals in Baden-Württemberg an eine Person übertragen worden, die nicht zugleich auch Mitglied der Regierung ist. Der Beauftragte überwacht die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen auf allen staatlichen Ebenen und fungiert zudem als Beschwerde- und als Qualitätssicherungsstelle für behinderte Menschen und deren Verbände.

@ www.kbzo.de
@ www.sozialministerium-bw.de > Menschen mit Behinderung

Der Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Gerd Weimer (rechts), zeigte sich bei seinem Besuch an der Stiftung KBZO beeindruckt über deren inklusive Förder- und Betreuungsangebote. Links im Bild der Vorstandsvorsitzende Dr. Ulrich Raichle. Text/Fotos: wortschatz

„Mein Ehrgeiz ist es, dass Baden-Württemberg zum Inklusionsland Nummer eins in Deutschland wird“: Der Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Gerd Weimer (M.), mit Dr. Helmut Veitshans (Aufsichtsratsvorsitzender der Stiftung KBZO, li.) und Dr. Ulrich Raichle (Vorstandsvorsitzender).
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